Der Steuerfuss der Stadt Thun soll von 1,72 auf 1,62 gesenkt werden. Dies wird in einer Motion von Markus van Wijk (FDP) gefordert. Dies wird gefordert, weil die Stadt in den letzten Jahren stets eine erfolgreiche Bilanz erreichen konnte.
Da die Pandemiejahre die Ergebnisse verfälscht haben könnte, lehnt der Gemeinderat den Vorschlag aber zum momentanen Zeitpunkt ab. Der Stadtrat von Thun wird am Donnerstag, 6. Juli 2023 über die Motion diskutieren.
Nau.ch hat bereits mit Franz Schori (SP) und Markus van Wijk (FDP) gesprochen. Nicole Krenger (GLP) ist die nächste Politikerin, die sich zum Geschäft äussert.
Nau.ch:
Als Begründung für die Senkung des Steuerfusses wird unter anderem die erfolgreiche Bilanz der letzten Jahre, sowie der Ertragsüberschuss von 10,7 Millionen Franken für 2022 genannt. Gibt es alternative, sinnvolle Vorschläge, den Überschuss einzusetzen?
Nicole Krenger:
Schaut man die letzte Rechnung an, steht Thun in der Tat gut da. Da macht es Sinn, über eine Steuersenkung nachzudenken. Das Rechnungsergebnis allein ist aber nicht das Einzige, was es zu berücksichtigen gilt: so war beispielsweise der sogenannte Realisierungsgrad letztes Jahr tief.
Dieser misst, wie viel der geplanten Instandhaltungsarbeiten und Sanierungen die Stadt tatsächlich umgesetzt hat. Wir sind also im Rückstand – und der kommende Sanierungsbedarf wird nicht kleiner. Als Beispiel kann der Sanierungsstau bei unseren Schulhäusern genannt werden.
Nau.ch:
Der Steuerfuss von Thun ist mit 1,72 deutlich höher als in Nachbargemeinden. Inwiefern ist der höhere Steuerfuss gerechtfertigt?
Nicole Krenger:
Eine Senkung des Steuerfusses sollte ins Auge gefasst werden. Diese sollte aber verträglich sein. Wichtige Projekte und Arbeiten dürfen nicht aufgeschoben werden. Zuvor habe ich den Sanierungsstau angetönt. Auch machen wir die Erfahrung, dass Grossprojekte eben gross sind, lange dauern und entsprechend aus nachvollziehbaren Gründen auch mal mehr kosten können als budgetiert.
Schliesslich: gerade an der letzten Sitzung hat der Stadtrat einen nicht unbedeutenden Beitrag an die Frauen UEFA-EM in Thun gutgeheissen. Wir brauchen Fingerspitzengefühl bei der Steuersenkung – wir wollen uns auch künftig noch Projekte und Ausgaben wie die geschilderten Beispiele leisten können. Dazu braucht es einen gewissen Spielraum und auch gutes Kostenbewusstsein in Politik und Verwaltung.
Nau.ch:
Der Gemeinderat spricht davon, dass die letztjährigen Finanzergebnisse potenziell durch die Pandemiejahre verfälscht sein könnte – wie ordnen Sie diese Aussage ein?
Nicole Krenger:
Das stimmt sicher. Nur kann wohl niemand genau sagen, wie stark und in welche Richtung die Ergebnisse durch Corona beeinflusst wurden. Das bedeutet für uns: nichts überhasten. Sorgfältig prüfen. Klare Sicht über die ausstehenden Ausgaben haben. Kostenbewusstsein. So ist eine Steuersenkung möglich und Thun kann sich zugleich ein Pölsterchen für Unvorhergesehenes erhalten.
Nau.ch:
Sehen Sie die Senkung des Steuerfusses und den damit verbunden Steuerausfall als Risiko für die finanzielle Situation von Thun?
Nicole Krenger:
Ein Minus im Budget spürt eine Stadt genau gleich wie wir privat. Dann heisst es weniger ausgeben, optimieren, kompensieren. Tiefere Steuern sind ein Standortvorteil. Für Menschen ist es eine direkte Entlastung. Auch Unternehmen profitieren. Es ist denkbar, dass sich das ummünzen lässt in mehr Steuerzahler.
Auf jeden Fall ist eine solche allgemeine Steuersenkung in meinen Augen fairer und zielführender als spezifische Steuern für eine bestimmte Gruppe anzutasten. Von der allgemeinen Senkung profitieren alle ein wenig.